Schmuckskulpturen von Rotraut Fischer
Stefanie Fricke
Magazin Artmapp, Frühjahr 2023
Ihre Schmuckstücke entstehen aus Silber, Gold und Edelsteinen, häufig komponiert im Spannungsfeld von Feinheit und Robustheit mit roh belassenen Fundsteinen bzw. Fundstücken, sie sind dabei gleichzeitig skulpturaler Entwurf oder Skulptur. Das künstlerische Werk Rotraut Fischers ist geprägt durch diese ungewöhnlichen Materialkombinationen bei gleichzeitiger großer Sicherheit in der formalen Gestaltung.
Nachdem sie Goldschmiedin gelernt hatte, studierte sie zunächst zwei Semester Zeichnen an der Zeichenakademie Hanau bei Frankfurt am Main. Darauf folgte ein Studium von Produkt- und Schmuckdesign in Düsseldorf, dem damaligen Mekka der deutschen Kunstavantgarde, die zu jener Zeit besonders geprägt durch Joseph Beuys und die Konrad Fischer Galerie war. Ihr Professor Friedrich Becker war damals sowohl einer der führenden europäischen Designer für kinetischen Schmuck als auch ein europaweit tätiger Edelstahlbildhauer. Von Becker, dessen Arbeiten in ihrer streng geometrischen Reduzierung vordergründig fast konträr erscheinen mögen, hat Rotraut Fischer ein sicheres Gespür für die formalen Aspekte der Komposition und der Tektonik erfahren. Ihre Arbeiten überzeugen in der Materialwahl, der Ästhetik der Formkomposition als auch im sicheren Umgang mit dem Volumen.
Fundstücke oder luftig poröses Lavagestein bilden nicht selten das Zentrum ihrer Arbeiten. „Ich arbeite dann mit meinen skulpturalen Konzepten um das gefundene Element herum“, so beschreibt sie ihre Arbeitsweise. „Immer lege ich ein klares Formkonzept zugrunde, nicht selten kombiniere ich es mit Diamanten, Aquamarinen und Opalen, häufig auch mit Silber und Gold. Diese edlen Komponenten begegnen aber den gefundenen armen Materialien in der skulpturalen Komposition auf gleichem ästhetischem Level.“ Eine „traditionelle Hierarchie“ der Materialien gibt es nicht. Die Inszenierung eines wertvollen Edelsteins wie in der traditionellen Schmuckkunst üblich wird ersetzt durch die ästhetische Balance ganz unterschiedlicher Formen und Materialien. Hier spiegelt sich der frühe Einfluss der damals neuen Ideen der konzeptuellen Kunst ihrer Düsseldorfer Zeit wider. Mario Merz und die Arte Povera lösten ein neues Denken über die Wertigkeit des Materials in der Kunst aus, das Rotraut Fischer als eine der Ersten konsequent in ihrer Schmuckkunst umsetzte.
Rotraut Fischer zeigt in ihren Entwürfen für Monumente die gleiche Sicherheit für die Proportion und den Umgang mit einer monumentalen Formensprache wie im Entwurf von Schmuck. So hat ihr Schmuck prozessbedingt immer skulpturalen Charakter, ist eher Amulett oder tragbare Unikatskulptur, wie die Künstlerin selbst sagt. Wer ein Stück von ihr trägt, jedes ein Unikat, der stellt weder sich selbst zur Schau noch den Schmuck. Eine dialektisch-antagonistische Einheit von Schmuck und Trägerin wie Träger zu bilden, wird stattdessen als ästhetischer Imperativ des Tragens ihrer Arbeiten definiert. Es ist diese Haltung, die mit dem Tragen von Rotraut Fischers Unikaten transportiert und in den Blick gestellt wird. Großes kann dabei filigran gedacht werden, Kleines monumental, hierin liegt ein besonderer Aspekt der „Schmuckskulpturen“ Rotraut Fischers.
Metapher und Konnotation
Simone Menne
Ausstellung [:reboot] in der Galerie Simone Menne, 2020
Das Plickat-Ausstellungsprojekt 2020 in Kiel, die Kombination der Ausstellungen von Großskulpturen auf dem Campus der Fachhochschule im Osten und der Ausstellung von Entwürfen, Zeichnungen und kleineren Skulpturen in der Galerie Simone Menne im Westen von Kiel ist daher eine besondere Chance, den mehrschichtigen Perspektivwechsel – den Wechsel zwischen Groß und Klein, Dauerhaftigkeit und Flüchtigkeit, Abstraktion und Figuration – im Denken und Werk von Jörg Plickat zu erleben. Dem Betrachter wird so mit der Kunst Jörg Plickats ein mehrdimensionaler Brückenschlag über die Förde geboten.
Zusammen mit den Werken von Jörg Plickat werden auch (Schmuck)Stücke von Rotraut Fischer gezeigt. Die verbindenden Elemente in den Werken von Rotraut und Jörg sehe ich in der Vieldeutigkeit ihrer Werke und der Bedeutung des Materials dafür. Gemeinsam ist beiden auch, dass ich fasziniert und manchmal auch verblüfft bin, wie beide Künstler Formen schaffen, die man dem Material nicht zugewiesen hätte.
Rotraut Fischer-Plickats Liebe zu den Steinen zeigt sich in jedem Stück. So sprach sie einmal von dem erdgeschichtlichen dramatischen Schicksal jedes einzelnen Steines. Also zeigt sie uns in dem Werk auch eine Zeitgeschichte. Und sie lässt dem Stein seine natürliche Schönheit, so dass ein Stein, den andere achtlos am Weg liegen gelassen hätte, nun eine Beachtung erfährt und zu einem Schmuckstück wird. Dabei erhalten die Stücke eine Wärme, die dem Stein eben sonst nicht zugeordnet wird. Die Verbindung mit anderen Materialien lässt die Natürlichkeit bestehen und noch ausdrucksstärker werden. Hier gilt das Goethewort mehr denn je: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen!“
Schmuck und Aspekte des Skulpturalen
Klaus-Michael Heinze
Kanzler der Fachhochschule Kiel
Ausstellung Raumdialoge in Stein und Metall im Bunker-D, 2018
Wenden wir uns deinen Arbeiten, liebe Rotraut, zu. Nach deiner Ausbildung als Goldschmiedin in Köln hast du zunächst einige Semester Zeichnen an der Zeichenakademie in Hanau studiert und dann das Studium des Schmuck- und Produktdesign in Düsseldorf erfolgreich absolviert. Hier wurden dein ausgeprägtes Gespür für die formalen Aspekte der Komposition und der sichere Umgang mit dem Volumen durch deinen Professor Friedrich Becker geprägt. Becker war Künstler, Edelstahlbildhauer, Goldschmied und seinerzeit einer der führenden europäischen Designer für kinetischen Schmuck.
Interessant finde ich, dass du als Diplomarbeit die „Gestaltung eines Brunnens für den Vorplatz des Thyssen-Hochhauses in Düsseldorf“ erarbeitet hast. Über 350 Ausstellungen und Beteiligungen hast du in Deinem Ausstellungsverzeichnis und du hast Dich an Wettbewerben in Deutschland, Polen, Niederlande und Italien beteiligt. Du sammelst überall an den Stränden der Welt Steine, hast in Deiner Materialsammlung einen unschätzbaren Fundus poröser Lavagesteine, verschiedenster Versteinerungen und Korallen, ja selbst Meteoriten sind darunter. Du sagst, dass du die Form findest und ein skulpturales Konzept um den Stein herum erarbeitest. Dieses klare Formkonzept ergänzt du häufig mit Silber und Gold, aber auch mit Aquamarinen, Opalen und Bernsteinen.
So entstehen deine Schmuckstücke, die – wie du es formulierst – eher Amulette oder tragbare Skulpturen sind. Gerade die Spannung, die du aus den Gegensätzen der geometrischen Form und dem Naturmaterial aufbaust und mit sicherer Formgebung in der Balance hältst, macht deinen besonderen Anspruch an die meisterliche Vervollkommnung des Formkonzeptes deutlich. So gehen die von dir geschaffenen Fingerringe, Armreifen und Ketten weit über das Ansinnen hinaus, nur die Trägerin oder den Träger zu verschönern und so dem sichtbaren Status beizutragen. Deine Werke sind vielmehr Skulpturen im Miniaturformat, die es schaffen, mit der Trägerin eine Einheit zu bilden und damit die Schönheit, Vollkommenheit und Einzigartigkeit zu repräsentieren. Und daher kann es die Verwirklichung eines Herzenswunsches sein, solch ein Unikat sein Eigen zu nennen. Schauen Sie doch einmal, was zu ihnen passt und verlieben Sie sich – es kann der Beginn einer intensiven Freundschaft zu dem schönen Stück entstehen.
Skulptur im Schmuck
Stefanie Fricke
Leiterin der Drostei in Pinneberg
Ausstellung skulptur im schmuck in der Galerie Simone Menne, 2016
Anlässlich der Eröffnung der Werkschau von Rotraut Fischer auf dem malerisch gelegenen Gut Seekamp bei Kiel im September 2015 hatte ich bereits die Freude, mich einmal mehr mit der Künstlerin zu beschäftigen, die mir sowohl künstlerisch als auch menschlich höchst sympathisch ist. Dass das so ist, liegt möglicherweise daran, dass es kaum Abgrenzungen gibt zwischen der Künstlerin und dem Menschen Rotraut Fischer. Sie ist so natürlich, so menschlich, so fein und gleichzeitig so robust und ausdrucksstark, wie ihre Arbeiten und skulpturalen Entwürfe es sind.
Komposition, Tektonik, Dynamik und Materialität sind diese Kriterien, die eine intellektuelle Annäherung an das Werk Rotraut Fischers ermöglichen, ohne dabei die individuelle Annäherung über die Kriterien des Geschmackes, des „Leidenmögens“ auszuschließen oder zu behindern: Fein und robust. Schmuck und Skulptur, Silber und Gold, Edelstein und Findling, skulpturaler Entwurf: Es ist eine seltene Kombination IM KÜNSTLERISCHEN Werk Rotraut Fischers.. Aber sie ergibt sich durch ihre Ausbildung.
Nachdem sie Goldschmiedin gelernt gelernt hatte, studierte sie zunächst 2 Semester Zeichnen an der Zeichenakademie Hanau bei bei Frankfurt. Dann studierte sie Design und Schmuckdesign in Düsseldorf, dem damaligen Mekka der deutschen Kunstszene. Ihr Professor Friedrich Becker war sowohl Edelstahlbildhauer als auch einer der führenden europäischen Designer für kinetischen Schmuck. Er als Erschaffer zahlreicher Monumente vermittelte seinen Studenten zu gleich das Denken in der großen Dimension. So erscheint es konsequent, dass Rotraut Fischer in Ihrer Diplomarbeit einen Brunnen für den Thyssenplatz in Düsseldorf entwickelte.
Von ihrem Lehrer Prof. Becker, dessen Arbeiten in ihrer geometrischen Reduzierung vordergründig fast konträr erscheinen mögen, hat Rotraut Fischer ein sicheres Gespür für die formalen Aspekte der Kom-position und der Tektonik erfahren. Ihre Arbeiten – überzeugend im „wie“ der Formenkomposition als auch im sicheren Umgang mit dem Volumen, – funktionieren in ähnlicher Weise sowohl als kleine Schmuckskulptur als auch als metergroße Skulptur.
Auf unterschiedlichste Weise sind es sind die Gegensätze, mit denen die Künstlerin spielt. Die Spannungen, die sich ergeben aus Klein und Gross, aus Yin und Yang, aus geometrischer Form und Naturmaterial, Diese Spannungen sind es, die sie in der Balance hält in ihren Arbeiten und Entwürfen, die sie immer wieder überdenkt und nachjustiert. Diese Balance, dieses Austarieren von Gegensätzen, Spannungen, Dimension bestimmt die Arbeiten von Rotraut Fischer
Die kleinen Arbeiten von Rotraud Fischer-Plickat nur als „Schmuck“ zu bezeichnen, hieße daher auch, an der Oberfläche bleiben. Die Intention jedes einzelnen Fingerrings, jeder Kette, jedes Armreifes geht weit über das Ansinnen hinaus, die Trägerin oder den Träger zu verschönern oder zu seinem sichtbaren Status beizutragen. Es sind Skulpturen in Miniatur. Dieses zeigt sich besonders in Ihren Entwürfen für große Monumente. Es ist die gleiche Art zu denken. Es ist skulpturales Denken. Rotraut Fischer zeigt in ihren Entwürfen für Monumente die gleiche Sicherheit für die große Proportion und Sicherheit im Umgang mit einer monumentalen Formensprache wie beim Entwurf von Schmuck.
Die Künstlerin lenkt unseren Blick stets auf geometrische Grundformen. Im den Schmuckskulpturen mischt sie diese häufig mit speziell gesuchten, rauen, rundlichen oder länglichen Kieselsteine vom Strand. Fundstücke oder luftig poröses Lavagestein bilden das Zentrum ihrer Arbeiten. „Ich arbeite mit meinem skulpturalen Konzept um den Stein herum“, so beschreibt sie selbst ihre Arbeitsweise. Und tatsächlich: So kunstvoll ihre Schmuckstücke auch scheinen: Immer liegt ein klares Formkonzept zugrunde, ergänzt mit Aquamarinen, Opalen und Bernsteinen, häufig Silber und Gold. Diese edlen Komponenten begegnen den gefundenen Steinen in der skulpturalen Komposition auf gleichen Level. Eine „Hierarchie“ der Materialien gibt es nicht. Es entsteht dabei Schmuck, der skulpturalen Charakter hat, der eher Amulett oder tragbare Skulptur ist, wie die Künstlerin selbst sagt. Wer ein Stück von ihr trägt, jedes ein Unikat, der stellt weder sich selbst zur Schau noch den Schmuck. Skulpturaler Schmuck und Trägerin bilden eine Einheit. Wer ein Stück von ihr trägt, der sucht ebenso die Schönheit und Vollkommenheit in der Natürlichkeit, in dem, was jeder von uns sein und haben kann. Diese Haltung wird mit Rotraut Fischers Unikaten transportiert und in den Blick gestellt. Und es ist diese Haltung, die uns zu schönen Menschen macht.
Und obwohl manches ihrer Schmuckstücke von überbordender Größe ist und der Trägerin hin und wieder auch etwas Geschicklichkeit abfordert: Rotraut Fischer kann auch viel größer. Eine große, monumentale Skulptur hat sie 2010 in Tangshan/China verwirklicht.
Das zeigt, wie sehr sie von der Form her denkt, vom Körper im Raum. Und ganz offenbar funktioniert dieses Denken, diese Vorstellungskraft im Großen, wie im Kleinen. Großes kann filigran gedacht , Kleines monumental . Hier liegt der Bedeutungs-Kern der „Schmuckskulpturen“ von Rotraut Fischer: Sie sind eine leise, aber eindringliche Aufforderung zum Perspektivwechsel, zum Wechsel der Dimension, zur bewussten Wahrnehmung formaler Komposition, von Eigenheiten und individueller Schönheit. Das ist es, was ihre ARBEIT zur Kunst erhebt.
ROTRAUT FISCHER
Prof. Dr. Jan Wiktor Sienkiewicz
Curator and Chair of Art History
Warsaw Poland
Rotraut Fischer. Born in Sulzberg/Allgäu, Germany. Since 1975 she has been working as an independent sculptor, goldsmith, and jewelry designer. First in the West of the Federal Republic of Germany, and since 1986 in the North in Schleswig-Holstein. From 1968 to 1971, she attended Goldsmith’s Apprenticeship in Cologne. In 1971, she studied at the Drawing Academy in Hanau. In the same year, she started her studies in sculpture, product design, fountain design, and jewelry in the class of Professor Friedrich Becker – a prominent designer of kinetic jewelry and sculptures in stainless steel at the University of Applied Sciences in Düsseldorf, which she completed in 1975. In the 1970s, Düsseldorf was the epicenter of the German avant-garde art scene, strongly influenced by Joseph Beuys and the Konrad Fischer Gallery. From Friedrich Becker, whose works often had a distinct geometric and minimalist character, Rotraut Fischer gained a deep understanding of the formal composition and structure of sculpture. Her jewelry „sculptures“ stand out with individually considered material choices, aesthetics, and compositional form.
Rotraut Fischer’s sculptural jewelry is characterized by unconventional material combinations while maintaining a strong sense of formalism in her works. Her jewelry pieces are created by combining silver, gold, and precious stones, skillfully bringing out the tension between delicacy and ruggedness. The artist often combines precious metals with natural stones or their fragments in her compositions. Often, porous stones found in nature form the core of her jewelry compositions. As she says: „I work around the discovered element, using my sculptural concepts […] I always follow a clear formal concept, combining diamonds, aquamarines, and opals with silver and gold. These precious components harmoniously coexist in sculptural compositions, creating aesthetic balance.“ The artist emphasizes that in her works there is no „traditional hierarchy“ of materials used. Unlike the jewelry tradition where the „honoring“ (as the strongest and most valuable element of the jewelry piece) of precious stones is cultivated, in Rotraut Fischer’s works there is an aesthetic balance and harmony between the different materials. This approach to materials and the overall composition of the work is a consequence of the influence on her artistic ideas related to conceptual art, to which the artist had the opportunity to become familiar with during her studies in Düsseldorf. Mario Merz and the Arte Povera movement left a serious mark on the creativity of the young German artist at that time. In this way, Rotraut Fischer is one of the first artists who consistently incorporated the ideas of conceptual art and Arte Povera into her jewelry and sculpture work. Her jewelry inherently possesses a sculptural quality, resulting from the creative process – it is more akin to an amulet or a unique wearable sculpture. As the artist emphasizes: „When someone wears one of my unique pieces – neither the wearer nor the jewelry becomes the central point. Instead, an aesthetic imperative emerges: to create a dialectical-antagonistic unity between the jewelry and the wearer.“ In this context, what is grand can be perceived as small, and what is small can be imagined as monumental – this is a characteristic aspect of Rotraut Fischer’s „sculptural jewelry“. The same quality – that is; the certainty of proportions presented in her jewelry works, characterize her fully sculptural forms.
More than 250 exhibitions and participations in Germany, Poland, Netherlands, Italy and China